Überraschender Schneeregen im Februar

Es gießt in Strömen, sehe ich von drinnen,
dann trete ich hinaus und die weißen Flocken fallen
wunderschön wie so selten
ein weißes Getümmel
sie fallen eilig, sie stieben wieder hoch
ich freue mich
der Regen strömt mit kaltem Hauch,
prasselt auf die Kapuze,
aber die Flocken wirbeln dazwischen und fügen Zauber hinzu

Ich gehe über die Eisenbahnbrücke
Schienen, kleine Strommasten an den Gleisen, kreuz und quer Stromleitungen
die Betonmauer mit der gelben Schrift
die eigene Geschichte
Efeu dunkelgrün fällt wie ein Wasserfall massenhaft darüber und hinunter
vor dem Dunkelgrün heben sich die Flocken stark weiß ab
beleben den sonst leeren Raum zwischen all dem und mir
mit weißem Tanz
tausendfach in alle Richtungen Weiß-Tüpfel betanzter Raum
lässt mich lächeln
trotz des Regens, der meine Oberschenkel eisig greift,
werde ich so froh, dass ich nicht einmal renne, um die grüne Ampelphase zu erreichen

ich schaue um mich herum und staune

Warme Hand

Es regnet, es strömt,
platscht, rauscht, schmatzt, tröpfelt.
Die kleine Hand fest und weich in meiner,
während wir die Straße entlanggehen
Den Markisen der Gemüseläden,
von denen es noch mehr plätschert,
gilt es auszuweichen, nach oben schauen,
das Gesicht in den Regen und
ausweichen, auch den Männern, die
die Kisten mit Obst und Gemüse aufbauen,
in der kalten Morgendämmerung.

Wir sprechen kein Wort,
sie folgt mir, kennt den Weg.
Ob sie sich auch so unbehaglich fühlt,
in den Schuhen, die von innen immer kälter werden
durch die Feuchtigkeit der Pfützen,
und in dem Mantel,
der nur eine gewisse Menge und Dichte an
Regentropfen verträgt,
bevor die Nässe durch die Nähte sickert
und die Schultern befeuchtet?

Meine kleine Tochter, brav an meiner Hand –
ihre Hand klein und weich,
hält mich fest, vertrauensvoll
Sie würde lächeln, wenn ich mich ihr zuwendete,
einfach weil sie sich freute, dass ich sie ansehe.
Wir,
im Regen am kalten Morgen die Straße entlang,
sind fest verbunden in Wärme.

Früh

Bäume bei Nütschau

Eine rosa Wolke
am leuchtenden Morgenhimmel
schwebt vorbei wie
ein ganz langsamer Vogel

Zwei Bäume schwarzbeschattet
in den höchsten Zweigen
ein Hauch
Wind der sie bewegt
und sie berühren sich
wie absichtlich

Beobachtungen auf dem Waldspaziergang um halb 10

1

Wie die Eiskristalle
in den von Frost  
erstarrten Gräsern auf dem Weg
aufblitzen
wenn man langsam  – blitz
vorübergeht – blitz

Von Sonnenlicht geblendet
nur mit Anstrengung
sehe ich die nackten Baumkronen
über mir vor blauem Himmel
schwarz raumgreifend in die Höhe
wie eine Hand mit vielen Händen und Fingern

Auf dem Weg

3

Zweige Blätter Gräser
von weißen Zacken
eingefasst wie  
eine Umrandung von Edelsteinen

weißumkranzt

4

der Boden bietet den gehenden Füßen
einen neuen Widerstand
noch mehr
das gefrorene Blattwerk
raschelnd, knisternd, brechend
ich hoffe, die Grashalme
zerbrechen nicht
wie Glas
unter meinen zärtlichen Fußsohlen

5

alles was vorher schon schön war – 
Grasbüschel, ein Blatt, ein Zweig auf dem Weg
ist von der zarten Feder des Frostes
in den Strukturen nachgezeichnet.
Es glänzt, leuchtet
Rundes springt in Zacken auf
Linien sind hervorgehoben
eisweiß
betont in seiner Kostbarkeit

6

die Bäume starr
endlich finden sie Ruhe
nun muss auch
der Wind mehr Kraft aufbringen
sie zu bewegen

7

Eben noch wollte ich schreiben: das Wunder nutzt sich ab. Da zieht ein kleiner gelber Vogel meine Aufmerksamkeit auf sich. Gelber Körper, schwarze Kappe, weißes Gesicht, schwarzer Latz bis zu den Füßen, Flügel schwarz-weiß, eine Tannenmeise?
Sie schaut mich an,
fliegt vor mir über den Weg auf einen niedrigeren Zweig,
da, ein Zweiter: Er schnarrt ihr hinterher, erst klingt es wie ein Schaudern vor Kälte,  schnarren, schnarren, 
er fliegt und springt ihr hinterher,
sie immer ausweichend auf einen anderen Zweig –
wie ein Menschenspiel

Im Weitergehen

8

das Aufblitzen auf dem Weg
ist besonders überraschend
wo der Weg,
das vor Wochen plattgetretene Laub, 
so braun aussieht wie sonst – 
aber dann blitzt es 
bei jedem Schritt
von den klitzekleinen Juwelen
die ausgestreut worden sind

da, wo der weiße Frost zu sehen ist
Sternengefunkel auf dem Weg

9

der Waldweg mit den von der Morgensonne leuchtenden
Birkenstämmen auf beiden Seiten
als schritte man durch den Mittelgang einer Kirche

Trampelpfad zwischen den Wiesen

10

auf der vormals feuchten Erde
eisharte Fußspuren und Furchen 
von Fahrradreifen-Profilen
gefrorene Zeitspuren
klong, klong
ich setze meine Schritte darüber
und hinterlasse keine Spur-
der Boden bleibt in seiner Ruhe unbeeindruckt.

11

lebendig der Rhythmus des Vogelrufs
frühlingshaftes d-d, d-d, d-d
dann Zirpen
Krächzen
die vereinzelte Vogelstimme
erhöht die Stille
zwischen den Bäumen im Morgenlicht

nur ich bin ganz Geräusch: raschelnd, Schritte

12 

plötzlich Motorsägen !
sie zerstören
alles
dröhnendes Reißen, Krachen, Knacken
ein weiser Riese fällt
empört laut krachend
schlägt er auf
damit alle Bäume davon erfahren

13

Zu Anfang meines Spazierganges
stand die Sonne 
über meinem Weg in den Wald
mir entgegen, mich durchstrahlend, empfangend
Jetzt, auf dem Rückweg, 
steht die Sonne ebenso über dem Herrenhaus
und empfängt mich 
und wieder bin ich geblendet
von der Fülle des Lichts,
dem ich genau entgegengehe.

Gänge in der Stadt

1

zarter Nieselregen, nicht mehr 3 Grad
ein Becken am Fleet
17 Enten
sie streichen mit ihren Schnäbeln ihre Brustfedern
sie zappeln mit den Füßen,
sodass sich ihr halber Körper aus dem Wasser hebt  
und das Wasser stiemt

Sie schlagen mit den Flügeln, 
sodass das Wasser durch die Federn 
ihrer Schwingen gedrückt wird
mehrere Enten gleichzeitig
sie planschen und schlagen mit ihren Flügeln aufs Wasser, 
sodass es nur so spritzt.

Entenbadewanne

morgens bei Nieselregen, nicht mehr 3 Grad

Enten planschen im Fleet

2

Das dunkle Elbwasser eingefercht 
zwischen den Mauern des Stadtfleetes.
Der Wind treibt die Oberfläche vor sich her
und sie springt auf in viele kleine hektische Wellen –
eine Struktur wie glitzernde Fischschuppen

Stilles Zwitschern zu zweit, Meise, Kohlmeise, 
als verböten sie sich selbst den Mund, 
als wollten sie in ihrer Minderzahl
kein Aufsehen erregen
in den 4, 5 Stadtbäumen 
zwischen Schleuse und Feuerwehr
Aber die Wintersonne hat sie ermutigt 
leise zu tschirpen
während sie mit zackigen Hopsbewegungen
(vom Großstadt-Espresso)
die Stämme nach Futter absuchen.

Das Wasser steht hoch,
die Elbe leckt und schwappt über
den gemauerten Weg des Fußgängertunnels.

Die Fluten lassen sich nicht einsperren…

hohes Elbwasser im Fußgängertunnel am Baumwall Hamburg

Letzter Morgen im Kloster

Ich gehe einen neuen Weg, obwohl es schon 10 Uhr schlägt
Wiesen, Kiefern zur Trave auf der einen Seite,
der Wald links
Gezwitscher in allen Vogelsprachen umfängt mich
Knack!
Ein Reh! dieselbe Farbe wie die Stämme, schaut mich an.
Ich bewegungslos, es bewegungslos,
ich halte den Atem an, 
als könnte ich damit den Augenblick halten.
Ich schaue: Schnauze und Augen grau umschattet, 
sein Schweif weiß, groß,
in ähnlicher Weise auffällig wie ein Pavianhintern rot ist.
Es läuft, schaut wieder –  neugierig.
Dann springt es – ganz Muskelkraft – feenleicht weg.

Ob es überhaupt jemals wieder die Zweige unter sich zum Knacken bringen wird –unwahrscheinlich.